Es ist nicht lange her, dass Europa ein Kontinent vieler Grenzen war, passierbarer und unpassierbarer. Ihr Verschwinden macht deutlich, wie sehr sich die Dinge in der jüngsten Vergangenheit geändert haben. Bau- und Gartendenkmale sorgen dafür, dass zumindest einige Zeugnisse dieser Zeit stehen bleiben und uns daran erinnern, was wir gemeinsam überwunden haben. 30 Jahre nach dem Mauerfall ist zum Beispiel das Erbe zweier deutscher Staaten – der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik – in Berlin noch unmittelbar präsent.
DAS DOPPELTE BERLIN
INHALT
Seit dem Kriegsende 1945 gibt es in Berlin auf beiden Seiten der Mauer ein großes Bedürfnis, neu anzufangen und die Schrecken der jüngsten Vergangenheit hinter sich zu lassen. Deshalb entscheidet man sich in der Architektur und im Städtebau oft für neues Bauen und gegen den historischen Wiederaufbau. Gleichzeitig gibt es auch große Unterschiede im Ost- und Westteil Berlins, die sich an den Bauten ablesen lassen. Sie erzählen von der Konkurrenzsituation zwischen beiden Systemen in der Zeit des Kalten Krieges: Stalinallee (später Karl-Marx-Allee) und Hansaviertel werden nahezu gleichzeitig gebaut. Beide sollen die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Gesellschaftssystems bezeugen. Zu den politischen Unterschieden zwischen beiden Systemen bitte nach rechts.
DOPPELTES BERLIN
DER POLITISCHE HINTERGRUND
AUF EINEN BLICK
WOHNBAUPROJEKT
KINO
KULTURBAU
HOCHHAUS
FUNKTURM
DER POLITISCHE HINTERGRUND
● 1948 einigen sich die Regierungen Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens, Luxemburgs, der Niederlande und der USA auf die Gründung eines westdeutschen Staates ohne die von der Sowjetunion besetzten Gebiete. Deutsche Politiker sollen eine Verfassung für diesen Staat ausarbeiten.
● Am 8. Mai 1949 beschließt eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten des Parlamentarischen Rates eine vorläufige Verfassung, die auch von den westlichen Siegermächten mit Vorbehalten akzeptiert wird. Die Abgeordneten nennen sie deswegen nicht Verfassung, sondern Grundgesetz.
● Mit dem Grundgesetz wird eine parlamentarische Demokratie eingeführt. Nach der Erfahrung des Nationalsozialismus geben die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates den Grundrechten eine besondere Bedeutung. Sie stehen am Anfang des Grundgesetzes und dürfen durch keine Gesetze oder Verordnungen abgeschafft werden.
● Am 23. Mai 1949 wird das Grundgesetz vom Präsidenten des Parlamentarischen Rates und seinen Stellvertretern unterzeichnet. Der Tag gilt als Gründungsdatum der Bundesrepublik Deutschland.
● Die Verfassung der DDR enthält ebenfalls Grundrechte wie die Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Die Macht im Staat soll vom Volk ausgehen. Diese Bestimmungen der Verfassung sind jedoch bedeutungslos für das Leben in der DDR. In Wirklichkeit herrscht allein die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands. Mit Hilfe des 1950 gegründeten Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) überwacht sie die Bevölkerung. Politische Gegner werden verhaftet. Ihre Grundrechte werden nicht beachtet.
WO IST WAS?
Hier stehen die wichtigen Bauten der Ost-Moderne an der Karl-Marx-Allee nah beieinander. Zu jedem der rot markierten Plätze und Gebäude gibt es ein Gegenstück im Westen. In Berlin findet man so viele Gebäude doppelt, weil die Stadt durch die Mauer in Ost- und West-Berlin geteilt war. Auf den folgenden Seiten werden immer beide Versionen vorgestellt.
Und wie soll die Karl-Marx-Allee künftig aussehen?
Die Verkehrssenatorin möchte anstelle der Parkplätze einen breiten Grünstreifen anlegen lassen. Die anliegenden Autobesitzer sind dagegen. Und auch die Denkmalpflege hat Vorstellungen: Die Funktion der einstigen Stalin-Allee als Parade- und Aufmarschraum soll auch in Zukunft nachvollziehbar bleiben, Teilbereiche sollen asphaltiert bleiben. Denn Denkmalschutz ist auch eine Verantwortung für schwieriges Erbe. Die einstige Stalin-Allee war das Aufmarschgelände der sozialistischen Staatsmacht, und die vollständige Asphaltierung ist der historisch richtige Zustand.
#WOHNBAUPROJEKT #OST
KARL-MARX-ALLEE
Für den ersten Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee entwirft das Architektenteam von Hermann Henselmann 1951 einen Mix aus der Tradition der Karl-Friedrich-Schinkel-Schule und Moskauer Arbeiterpalästen. Die Vision: Wer im Arbeiter- und Bauern-Staat arbeitete, sollte eine gute Wohnung haben. Für den Vergleich mit dem Hansaviertel bitte nach rechts gehen.
#WOHNBAUPROJEKT #WEST
HANSA-VIERTEL
1955-60 wird im West eine an der internationalen Moderne orientierte Architektur gebaut: experimentell, mit offenen Strukturen und fließendem Übergang zum Tiergarten.
#KINO #OST
KINO INTERNATIONAL
Das Kino International wird 1963 in der DDR eröffnet und dient bis 1990 als Premierenkino. Der Bau wirkt leicht und schlank und ist dadurch ein Zeugnis einer Architektur der Moderne. Cooles Detail: Das riesige Filmplakat des Films der Woche an der Vorderseite des Kinos wird auch heute noch immer von Hand gemalt. Für den Vergleich mit dem Zoo Palast bitte nach rechts gehen.
#KINO #WEST
ZOO PALAST
Der Zoo Palast ist ein Kino im westlichen Zentrum Berlins im Ortsteil Charlottenburg. 1956/1957 wird es nach Plänen der Architekten Paul Schwebes, Hans Schoszberger und Gerhard Fritsche erbaut.
#KULTURBAU #CAFÉ #OST
CAFÉ MOSKAU
Das Café Moskau wird 1959 von den Architekten Josef Kaiser und Horst Bauer als Nationalitätenrestaurant mit insgesamt 600 Gaststättenplätzen geplant und von 1961 bis 1964 errichtet. Den Eingangsbereich zur Karl-Marx-Allee schmückt das 9 Meter × 15 Meter große Mosaik ‹Aus dem Leben der Völker der Sowjetunion› des Malers Bert Heller. Das Café Moskau steht direkt gegenüber dem Kino International und ist ebenfalls denkmalgeschützt. Für den Vergleich mit dem Café Kranzler bitte nach rechts gehen.
#KULTURBAU #CAFÉ #WEST
CAFÉ KRANZLER
1957/1958 wird das Café Kranzler nach Plänen von Hanns Dustmann gebaut. Im Jahr 2000 schließt das weit über Berlin hinaus bekannte Kaffeehaus. Trotzdem kann man auch heute dort noch Kaffee trinken. Der zweigeschossige Bau mit aufsitzender Rotunde – das ist ein Rundbau – und rot-weiß gestreifter Markise ist denkmalgeschützt und deshalb erhalten. Innen hat das Café eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Es hat sich seit den 50er Jahren mehrfach verändert.
#HOCHHAUS #OST
HAUS DES LEHRERS
Der Grundstein für das zwölfgeschossige Gebäude des Architektenteams Hermann Henselmann, Bernhard Geyer und Jörg Streitparth erfolgt am 12. Dezember 1961. Eröffnet wird es am 9. September 1964. Es ist das erste Hochhaus am Alexanderplatz. Für den Vergleich mit dem Telefunken-Hochhaus bitte nach rechts gehen.
#HOCHHAUS #WEST
TELEFUNKEN-HOCHHAUS
Das Hochhaus wird von 1958 bis 1960 errichtet und hat 22 Stockwerke. Mit 80 Metern Traufhöhe ist es fünf Jahre lang das höchste Hochhaus Berlins. Als Traufe (von mittelhochdeutsch troufen ‹träufeln, tropfen lassen›), wird die Tropfkante am Dach eines Gebäudes bezeichnet.
FERNSEHTURM #OST #FUNKTURM #WEST
SENDETÜRME
In Berlin gibt es zahlreiche Sendemasten und Funktürme. Das bekannteste Beispiel ist der Berliner Fernsehturm, der das höchste Bauwerk Deutschlands ist. Er gilt als eines der wichtigsten Wahrzeichen Berlins. Der West-Berliner Funkturm ist wesentlich älter. Vorbild für seinen Entwurf war der Pariser Eiffelturm.
Wie viel Europa steckt im Fernsehturm?
Die Kuppel des Fernsehturms beginnt auf einer stolzen Höhe von 200 Metern. Ursprünglich soll sie vergoldet werden. Dann wird es Edelstahl und der kommt aus Westdeutschland. Die Verglasung wird aus Belgien importiert.
