TSCHÜSS, WERKSTATT! HALLO, FABRIK!

Heu­te sind wir von in­dus­tri­ell ge­fer­tig­ten Pro­duk­ten um­ge­ben, die wir uns oh­ne Mas­sen­pro­duk­ti­on gar nicht leis­ten könn­ten. Wie ha­ben sich Ar­beit, Her­stel­lung und Ver­trieb der Pro­duk­te da­durch ver­än­dert?
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Wel­che Bau­auf­ga­ben ent­ste­hen auf dem Weg von der Werk­statt zur Fa­brik? Spoi­ler: Es sind nicht nur grö­ße­re Ar­beits- und La­ger­räu­me!

INHALT
Das Bei­spiel des Töp­fers und Un­ter­neh­mers Jo­siah Wedgwood zeigt, wie sich Mit­te des 18. Jahr­hun­derts klei­ne­re Werk­stät­ten in gro­ße Fa­bri­ken ver­wan­del­ten. 

VON DER WERKSTATT ZUR FABRIK
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TÖPFEREI
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LEHRJAHRE
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PRODUKT­IDEE
ENTWICK­LUNG
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ERFINDUNG
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MANUFAKTUR
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MARKETING
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FABRIK
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KLUGE FREUNDE
DEUTSCH­LAND ZUR GLEICHEN ZEIT

Jo­siah Wedgwood wird 1730 als zwölf­tes Kind in ei­ne Töp­fer-Fa­mi­lie ge­bo­ren.

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Wedgwood wächst in Burs­lem auf, ei­nem Ort der zur Stadt Sto­ke-on-Trent in der Graf­schaft Staf­fordshire ge­hört. Das Haus hat­te sein Gro­ßva­ter 1653 ge­kauft und mit ei­ner Töp­fer-Werk­statt er­gänzt. Da­zu ge­hör­te be­reits ei­ne Müh­le mit Pfer­de-An­trieb – ver­mut­lich um den Ton zu kne­ten.

Nach dem Tod des Va­ters wird der 14jäh­ri­ge Jo­siah Wedgwood von sei­nem äl­te­ren Bru­der zum Töp­fer aus­ge­bil­det und zeigt gro­ßes Ta­lent.

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In die­ser Zeit steckt sich Jo­siah aber auch mit Po­cken an, die ihn ans Bett fes­seln. Spä­ter als Er­wach­se­ner muss er ein Bein un­ter­halb des Knies am­pu­tie­ren las­sen. Die Zeit im Kran­ken­bett nutzt er im­mer zum Le­sen und Nach­den­ken über sei­ne Ide­en. Das er­wor­be­ne Wis­sen wird ihn zu ei­nem au­ßer­ge­wöhn­li­chen Un­ter­neh­mer ma­chen.

Wedgwood will das Pro­blem lö­sen, dass je­der Haus­halt gu­tes Ge­schirr braucht, es sich aber nur die Rei­chen leis­ten kön­nen. 

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Seit fast 100 Jah­ren ist das Tee trin­ken in Eng­land an­ge­kom­men  – aber nur für die Ober­schicht er­schwing­lich. Der Tee ist teu­er und das Por­zel­lan auch. Wedgwoods Vi­si­on: Die Ent­wick­lung von Stein­gut, das we­ni­ger kost­bar ist als Por­zel­lan und taug­lich für die Mas­sen­pro­duk­ti­on.

In Staf­fordshire wer­den Ton­wa­ren her­ge­stellt, die nicht be­son­ders ele­gant und vor al­lem hit­ze­emp­find­lich sind. 

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Aus die­ser Zeit stammt ver­mut­lich das bri­ti­sche «milk in first»-Ge­bot für die eng­li­sche Tee­ze­re­mo­nie. Denn ge­langt zu­erst die küh­le Milch in die Ton­tas­sen, schont das die emp­find­li­che Ke­ra­mik.
Wor­in un­ter­schei­den sich Werk­statt, Ma­nu­fak­tur und Fa­brik?

● In ei­ner Werk­statt ar­bei­ten Hand­wer­ker, die ei­nen Ge­gen­stand von An­fang bis En­de ge­stal­ten und bau­en kön­nen.
● Un­ter ei­ner Ma­nu­fak­tur ver­steht man ei­nen Be­trieb, der zwi­schen dem tra­di­tio­nel­len Hand­werk und der mo­der­nen Fa­brik steht.
● Der Be­griff «Ma­nu­fak­tur» stammt aus dem La­tei­ni­schen: «Ma­nus» ist die Hand, «fac­tu­ra» kommt von „ma­chen“. Ma­nu­fak­tur be­deu­tet al­so, dass man et­was mit der Hand her­stellt und auch Ma­schi­nen ein­ge­setzt wer­den. Das hei­ßt: An­ders als in der Fa­brik wird in der Ma­nu­fak­tur noch viel Hand­ar­beit ein­ge­setzt. In der Fa­brik sor­gen Ma­schi­nen, aber auch Ar­beits­tei­lung für schnel­le­re und spar­sa­me Pro­duk­ti­ons­we­ge.





Nach vie­len Ex­pe­ri­men­ten ge­lingt Wedgwood die Ent­wick­lung ei­nes sehr fei­nen Stein­gut-Ma­te­ri­als. Gu­te For­men da­für fin­det er in Vor­bil­dern der Ke­ra­mik-Ge­schich­te.

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Das Wedgwood-Stein­gut kommt bei den Bür­ger­li­chen an. Doch auch der Adel kauft be­geis­tert ein: Kö­ni­gin Char­lot­te von Eng­land bit­tet um ein Ser­vice. Jo­siah Wedgwood nutzt die Ge­le­gen­heit, um die Er­laub­nis zu er­hal­ten, sich «Töp­fer Ih­rer Ma­jes­tät» zu nen­nen.

Der Er­folg des Ge­schirrs führt da­zu, dass Wedgwood im Herbst 1762 ei­ne Ma­nu­fak­tur in der Lo­wer Street, die heu­ti­ge Queen Street, er­öff­nen kann.

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Auf dem Fo­to ist das Wegdwood In­sti­tut zu se­hen, dass von 1863 bis 1869 mit Spen­den der Stadt-Be­völ­ke­rung auf dem Ge­län­de ge­baut wur­de, wo zu­vor die Ma­nu­fak­tur von Jo­siah Wedgwood stand. Es steht seit 1972 un­ter Denk­mal­schutz.

Wedgwood ist nicht nur ein ge­nia­ler Er­fin­der von neu­en Re­zep­tu­ren und Pro­duk­ten, er hat auch ganz neue Ide­en für den Ver­kauf.

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In Lon­don zeigt er sei­ne Pro­duk­te in ei­nem «Show­room» – ganz im Sinn des mo­der­nen Mar­ke­tings. Um die War­te­zei­ten für sei­ne Kun­din­nen zu ver­kür­zen, legt er Mus­ter­ka­ta­lo­ge aus.

1769 er­öff­net Jo­siah Wedgwood die neue Fa­brik «Etru­ria Works».

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Als Vor­bild nutzt Wegdwood die Fa­brik «So­ho Found­ry» sei­nes Freun­des Mat­t­hew Boul­ton. Rund um die Fa­brik baut Wedgwood ein Dorf, in das die Mit­ar­bei­ter mit ih­ren Fa­mi­li­en ein­zie­hen kön­nen.
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1936, lan­ge nach Wedgwoods Tod, zieht die Fa­brik noch ein­mal ein paar Or­te wei­ter nach Bar­las­t­on. Dort be­fin­det sich heu­te ein mo­der­nes Mu­se­um, das sei­ne Ge­schich­te und Ar­bei­ten aus­stellt.

Die Ein­füh­rung der Dampf­kraft ist ein wich­ti­ger Ka­ta­ly­sa­tor für die in­dus­tri­el­le Re­vo­lu­ti­on – und Jo­siah Wedgwood nutzt sie. 

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Die Ver­bes­se­rung der Dampf­ma­schi­ne durch Wedgwoods Freun­de Ja­mes Watt und Mat­t­hew Boul­ton sind dank der Ent­wick­lung des Ro­ta­ti­ons­mo­tor für die in­dus­tri­el­le Pro­duk­ti­on von ent­schei­den­der Be­deu­tung: Ma­schi­nen kön­nen jetzt viel schnel­ler funk­tio­nie­ren, mit Dreh­be­we­gun­gen und oh­ne mensch­li­che Kraft.

Jo­siah Wedgwood führt die Ar­beits­tei­lung ein, um schnel­ler mehr Stein­gut pro­du­zie­ren zu kön­nen. 

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In «Wohl­stand der Na­tio­nen» er­klärt Adam Smith die Ar­beits­tei­lung am Bei­spiel ei­ner Steck­na­del­fa­brik: Ein Ar­bei­ter kön­ne al­lein viel­leicht ei­ne, höchs­tens aber 20 Na­deln an ei­nem Tag an­fer­ti­gen. Wenn der Her­stel­lungs­pro­zess je­doch in sei­ne ein­zel­nen Ar­beits­schrit­te auf­ge­teilt wer­de und sich der ein­zel­ne Ar­bei­ter auf ei­ne Auf­ga­be spe­zia­li­sie­re, könn­ten zehn Per­so­nen an ei­nem ein­zi­gen Tag 48000 Na­deln fer­ti­gen.

Vie­le Pro­duk­te brau­chen schnel­le Trans­port­we­ge, um zu den Kun­den zu ge­lan­gen: Ein Ka­nal muss her! 1766 fi­nan­ziert Jo­siah Wedgwood den Bau­start. 1777 ist der Ka­nal fer­tig­ge­stellt.

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Im 18. Jahr­hun­dert sind Pack­pfer­de­zü­ge noch das ein­zi­ge Mit­tel für den Gü­ter­trans­port. Es ist da­her kein Zu­fall, dass Wedgwood zu den ers­ten Ka­nal­för­de­rern von Staf­fordshire ge­hört: Sein emp­find­li­ches Gut reist auf dem Was­ser viel si­che­rer als auf holp­ri­gen We­gen.

Das bri­ti­sche Ka­nal­sys­tem des Was­ser­trans­ports spielt ei­ne ent­schei­den­de Rol­le in der in­dus­tri­el­len Re­vo­lu­ti­on des Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reichs.

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«Etru­ria Works» liegt di­rekt ne­ben dem Trent-und-Mer­sey-Ka­nal. Der ist schmal, aber et­wa 150 Ki­lo­me­ter lang und er­leich­tert den Trans­port. Die Plä­ne für den Ka­nal stam­men vom In­ge­nieur Ja­mes Brind­ley.

Jo­siah Wedgwood ist nicht nur ein mo­der­ner Un­ter­neh­mer, son­dern auch ein ge­sell­schaft­li­cher Vor­den­ker.

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Als Geg­ner der Skla­ve­rei un­ter­stützt Jo­siah Wedgwood die Be­we­gung, die sich für die Ab­schaf­fung der Skla­ve­rei stark macht. Um ihr mehr Öf­fent­lich­keits­wirk­sam­keit zu ver­schaf­fen, stellt er Me­dail­lons her, die ei­nen schwar­zen Skla­ven zei­gen, der in Ket­ten kniet und die Hän­de ge­fal­tet hält. Dar­un­ter steht: «Am I Not a Man and a Bro­ther?». Das be­deu­tet: »Bin ich kein Mensch und Bru­der?»

Jo­siah Wedgwood ge­hört ei­nem Netz­werk klu­ger Freun­de an. Man in­spi­riert und un­ter­stützt sich ge­gen­sei­tig.

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Die «Lu­nar So­cie­ty» ist ei­ne in­for­mel­le Ge­sell­schaft pro­mi­nen­ter Per­sön­lich­kei­ten der Auf­klä­rung. Un­ter an­de­rem ge­hö­ren Jo­siah Wedgwood, Mat­t­hew Boul­ton, Eras­mus Dar­win, Jo­seph Priest­ley und Ja­mes Watt da­zu.

Die In­dus­tri­el­len, Na­tur­phi­lo­so­phen und In­tel­lek­tu­el­len tref­fen sich zwi­schen 1765 und 1813 re­gel­mä­ßig bei Mat­t­hew Boul­ton in Bir­ming­ham.

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Der Freun­des­kreis nennt sich «Lu­nar So­cie­ty», weil sich die Ge­sell­schaft im­mer wäh­rend des Voll­monds trifft. Denn noch gibt es abends kei­ne Stra­ßen­be­leuch­tung und der Voll­mond macht die Heim­rei­se ein­fa­cher und si­che­rer.
Und wie läuft's der­weil in Deutsch­land?

Seit der Ver­ei­ni­gung Eng­lands und Schott­lands im Jahr 1707 ist Groß­bri­tan­ni­en nicht nur ei­ne ein­heit­li­che po­li­ti­sche Na­ti­on, son­dern auch ei­ne ein­heit­li­che Han­dels­na­ti­on. Und die in­dus­tri­el­le Re­vo­lu­ti­on setzt sich am schnells­ten in den Län­dern durch, in de­nen po­li­ti­sche Ein­heit herrscht.  

Deutsch­land gibt es zu die­sem Zeit­punkt noch gar nicht wirk­lich, weil es in vie­le klei­ne Ein­zel­staa­ten zer­split­tert ist. Han­dels­gü­ter müs­sen aus die­sem Grund stän­dig Gren­zen pas­sie­ren, wenn sie von ei­nem zum an­de­ren Ort trans­por­tiert wer­den. Das kos­tet Zeit und durch die er­ho­be­nen Zöl­le auch viel Geld. Erst als die Ein­füh­rung des Deut­schen Zoll­ver­eins 1834 die Zoll­schran­ken weit­ge­hend auf­habt, wird der Aus­tausch von Wa­ren er­leich­tert. Auf die­ser Ba­sis kann schlie­ß­lich ein ein­heit­li­ches Wirt­schafts­ge­biet ent­ste­hen – und Deutsch­land wird zur In­dus­trie­na­ti­on.
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DIDAKTISCHES KONZEPT

Anke M. Leitzgen für tinkerbrain. Institut für Bildungsinititiativen GmbH

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Landesamt für Denkmalpflege Bremen
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Landesamt für Denkmalpflege Hessen
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